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Dienstag, Mai 14, 2024

„Ich nehme ganz viel mit – vor allem Frieden!“

Bocholt. „Der Trauer Ausruck geben“, so der Titel einer Ausstellung von Trauernden, die am 5. Oktober 2022 in Bocholt eröffnet wurde. Noch bis zum 21. Oktober sind die Bilder, die auf Initiative von Omega e.V. in Bocholt entstanden sind, in der St. Agnes-Kapelle zu besichtigten. Eine düstere Ausstellung? Alles andere als das! Die Bilder sind bunt, lebendig, vielseitig. Und in jedem einzelnem Bild steckt ganz viel Liebe.

Wo hätten die Bilder von Trauernden einen besseren Platz finden können als in der St. Agnes-Kapelle, wo derzeit auch das Lichtkreuz Liebe & Tod des Künstlers Ludger Hinse zu sehen ist? Das Kreuz, das Teil der Ausstellung LICHTreich ist, zieht sofort die Blicke auf sich. Liebe & Tod. Und um nichts anderes geht es auch in der Ausstellung „Der Trauer Ausdruck geben“, die am 5. Oktober 2022 eröffnet wurde. Und die Bilder, die in Trauergruppen entstanden sind, laufen dem Hinse-Kunstwerk in seiner Aussagekraft fast den Rang ab.

Omega-Koordinatorin Beate Bäumer-Messink (rechts) überreichte der Künstlerin Helga Wilms ein Präsent als Dankeschön für die Unterstützung. ©www.gabifrentzen.de

Beate Bäumer-Messink, Koordinatorin beim Ambulanten Kinder- und. Jugend-Hospizdienst (Omega Bocholt), hatte vor gut einem Jahr die Idee, eine solche Ausstellung umzusetzen. In ihrer Ansprache gab die Bocholterin offen zu: „Ich hatte diesen Wunsch, aber ich kann nicht malen, bin da völlig talentfrei. Wie also hätte ich das Projekt umsetzen können?“ Dann habe sie da angeklopft, wo diese Kompetenz vorhanden ist, nämlich bei Helga Wilms. Die Bocholter Künstlerin habe sogleich ihre Unterstützung zugesagt.

Erst waren da fragende Gesichter

„Als ich dann in den Trauergruppen den Vorschlag machte, der Trauer einfach mal in Bildern Ausdruck zu geben, schaute man mich fragend an“, so die 56-Jährige. „Keiner traute sich zu, mit Pinsel und Farbe kreativ zu werden. Ich freue mich sehr, dass ich überzeugen konnte. Es ist eine bunte und vielseitige Ausstellung entstanden. Und den Prozess begleiten zu dürfen, ganz ehrlich, das war auch für mich als Initatorin eine ungemein bewegende Zeit.“

Ausstellung mit Gänsehaut-Momenten

Bilder gemalt von Menschen, die um einen geliebten Menschen trauern. Von Trauernden, die in Kinder-, Jugend- und Verwaisten Eltern-Gruppen ihrer Trauer Raum geben dürfen. Es tut ihnen gut.

Neben den Bildern, die sie gemalt haben und die nun öffentlich zu sehen sind, sind Informationen zu finden. Den Betrachter überkommt Gänsehautgefühl, wenn zu lesen ist, dass das Bild eine Ehefrau und Mutter gemalt hat, die ihren Mann durch Krankheit und ihren Sohn durch Suizid verloren hat. Es ist ein farbenfrohes Bild, dass die Ehefrau und Mutter gemalt hat. Müsste es farblich nicht eher durch Schwarz und Grau bestechen?

Ruhe, Konzentration und ganz viel Farbe

Nein. Und das ist gut so. Denn dieses Projekt hat einmal mehr deutlich gemacht, das Trauer auch Farbe trägt. Und darf. „Es war unbeschreiblich schön, das Entstehen der Bilder begleiten zu dürfen“, erklärt Beate Bäumer-Messink. „Diese Ruhe, diese Konzentration. Und dann die Farben. Trauer ist bunt und vielseitig. Und genau das spiegeln die Bildern wieder.“ Sie erinnere sich noch gut an eine Whatsapp-Nachricht. Eine Teilnehmerin schickte ihr ein Foto ihrem Bild mit den Worten, es sei fertig. Eine Message, die trotz der Trauer auch mit Freude und Stolz einherging.

Es geht um Tod und Liebe

„Es ist schön, dass diese Ausstellung zeitgleich mit LICHTreich einhergeht“, so die Koordinatorin. „Das Kreuz des Künstlers hier in der Kapelle steht für Liebe und Tod. Und in unserer Ausstellung geht es um nichts anders. In jedem einzelnen Bild geht es um Tod, zugleich aber steckt ganz viel Liebe darin.“

Ein bisschen Gänsehautgefühl überkam auch Helga Wilms, die an diesem Abend ein Präsent als Dankeschön entgegennehmen durfte. Sie freute sich riesig über die Anerkennung, die Beate Bäumer-Messink stellvertretend für alle Teilnehmer und auch Helfer überreichte.

„Omega ist etwas ganz besonderes“

Für den Vorstand von Omega Bocholt e.V. übernahm Michael Schneider zur Eröffnung die Grußworte. „Es ist etwas ganz Besonderes, mit Omega zu tun zu haben“, sagte sie. „Vielen Dank, dass es Omega gibt.“ Aus der Pflege wisse sie, dass Sterbebegleitung viel Zeit und Hingabe braucht. Schneider: „Als Einrichtung und Pflegekraft ist man froh und dankbar, wenn man die ehrenamtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.“ Gerne nutzte sie die Möglichkeit, in ihrer Ansprache auch nochmal auf Omega detailliert einzugehen. „Ich spreche gerne frei“, sagte sie. „Aber bitte sehen sie mir es nach, wenn ich auch mal ablese.“

„Bitte essen sie alles auf!“

Rolf Oechtering vom Leitungsgremium der Wohnen, Leben und Pflege gGmbH, zu der das Diepenbrockstift gehört, ließ es sich nicht nehmen, die zahlreichen Besucher in der St. Agnes-Kapelle willkommen zu heißen. „Ich freue mich sehr, dass unsere Kapelle Ort dieser besonderen Ausstellung sein darf“, so Oechtering. Und lächelnd ergänzte er: „Wir werden die Häppchen heute natürlich nicht berechnen. Ich muss sie allerdings bitten, alle aufzuessen, denn unsere Küche sieht es nicht gerne, wenn Essen zurückgeht.“

Trauer, Freude, Leichtigkeit

Eine Ausstellung voller Trauer und zugleich voller Freude und Leichtigkeit. Jedes einzelne Bild ist es wert, betrachtet zu werden. Denn jedes hat etwas zu erzählen. Und jedes spricht eine ganz besondere Sprache, denn es macht zugleich auch Mut, gibt Hoffnung. Es zeigt, dass Trauer auch ein Gesicht der Lebendigkeit und Freude haben kann – und darf.

Einige der kreativen Teilnehmer hatten sogar den Mut, den Besuchern mehr zu verraten über ihre Arbeit. Und wie vielseitig Trauer ist, wurde einmal mehr deutlich, als eine junge Frau auf ihre Bild zeigte und sagte: „Ich habe mein Pferd verloren. Ich habe es sehr geliebt. Es war viele Jahre mein treuer Begleiter.“

Auch die junge Frau neben ihr nahm gerne das Mikrofon in die Hand. Und bezeichnend war ihr Schlusssatz: „Ich nehme aus dem Projekt ganz viel mit. Vor allem Frieden.“

Öffnungszeiten und Führungen

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 21. Oktober 2022 in der St. Agnes-Kapelle (Diepenbrockstift). Führungen sind nach Absprache möglich unter Tel. 01774085512 (Beate Bäumer-Messink) sowie per E-Mail an [email protected].

Zeitgleich mit der Ausstellung LICHTreich sind die Bilder von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der St. Agnes-Kapelle zu sehen, die (einen) geliebte(n) Menschen verloren haben. ©www.gabifrentzen.de
Gabi Frentzen
Gabi Frentzen
Gabi Frentzen alias Bocholter Reporterin

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