Kreis Borken. Für die Mitarbeiter der Jobcenter im Kreis Borken heißt es jetzt Ärmel hochkrempeln. Der Jahresbeginn 2023 zeigt sich als Herausforderung. Der Grund: Mit den Flüchtlingen aus der Ukraine sind mehr Menschen im SGB II zu betreuen. Und dann ist da die Umstellung auf Bürgergeld. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt.
Durchwachsenes Bild auf dem Arbeitsmarkt
2022 hat mit Blick auf den Arbeitsmarkt ein durchwachsenes Bild: Nachdem das Jahr auf sehr gutem Niveau in Fortsetzung der bisherigen mehrjährigen guten Entwicklung mit einer sehr gesunkenen SGB II-Arbeitslosenquote von 2,0 Prozent begonnen hatte und zunächst einen saisontypischen Verlauf nahm, erfolgte im Sommer eine landesweite deutliche Trendwende. Allein im Juni stieg die SGB II-Arbeitslosigkeit im Kreis um 700 Personen. Dieser Anstieg ist fast ausschließlich auf die geflüchteten Personen aus der Ukraine infolge des russischen Angriffskrieges zurückzuführen, die ab dem 1. Juni 2022 einen Anspruch auf SGB II-Leistungen haben.
Mehr Arbeitslose Ende 2022 als im Vorjahr
Bis zum Jahresende stieg die Zahl der SGB II-Arbeitslosen weiter an, sodass die Jobcenter im Kreis Borken im Dezember 2022 insgesamt 1.535 Arbeitslose mehr als im Dezember des Vorjahres verzeichnete. Damit liegt die SGB-II-Arbeitslosenquote im Dezember 2022 auf dem höchsten Wert seit mehr als zehn Jahren, nämlich bei 2,7 Prozent. Nur durch die vergleichsweise positive Entwicklung in den ersten Monaten des vergangenen Jahres ergibt sich für den Kreis Borken im Jahresdurchschnitt für 2022 eine SGB II-Arbeitslosenquote von 2,3 Prozent. Mit der Quote aus Dezember von 2,7 Prozent steht der Kreis Borken zum Jahresende im NRW weiten Vergleich (NRW gesamt: 5,1 Prozent) aber trotz allem weiterhin gut dar.
2022 deutlich mehr Menschen mit SGB II
Insgesamt waren 2022 deutlich mehr Menschen im Kreis auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen als im Vorjahr. Zum Jahresende gab es 15.480 leistungsberechtigte Personen in 7.721 Bedarfsgemeinschaften. Die Betreuung der aus der Ukraine geflüchteten Personen sowie die allgemeinen wirtschaftlichen Nöte und Sorgen aller Hilfebezieher nahmen in diesem Jahr in den Jobcentern sehr viel Zeit in Anspruch.
Mehr Betreuung, weniger Vermittlungen
Im Bereich der „Integration in Arbeit“ führte das daher zu einer rückläufigen Entwicklung. So zählten die Jobcenter im Kreis zum Jahresende ca. 14,5 Prozent weniger Vermittlungen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als im Jahr zuvor. „Dennoch liegt der Kreis Borken im Münsterlandvergleich damit hinter Warendorf auf einem sehr guten zweiten Platz“, sagt Landrat Dr. Kai Zwicker.
Zahl der Langzeitleistungsbezieher 2022 rückläufig
Besondere Aufmerksamkeit liegt immer auch auf der Entwicklung der Zahl der sogenannten Langzeitleistungsbezieher. Das sind Personen, die in den letzten zwei Jahren mindestens 21 Monate hilfebedürftig waren. Diese Zahl war im Jahr 2022 erfreulicherweise gegenüber 2021 rückläufig (um durchschnittlich 466 Personen (-7,4 Prozent)). Dass sich diese Zahl gegenläufig zum sonstigen Trend der Arbeitslosenzahlen und des Hilfebedarfs entwickelt, ist nicht ungewöhnlich.
Die im Sommer 2022 in den SGB II-Bezug einmündenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten werden erst 2024 die Kriterien für den Langzeitleistungsbezug erfüllen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Konjunktur bzw. Arbeitsmarkt und dem Bestand der Langzeitleistungsbeziehenden ist demnach in nur geringem Maße vorhanden.
Konjunkturprognose für 2023 zurückhaltend
Angesichts der bestehenden Unsicherheiten aufgrund von Krieg, Energiekrise, Inflation und fortbestehender Liefer- und Materialengpässe sind die Konjunkturprognosen für 2023 zurückhaltend. Dennoch scheint der Arbeitsmarkt im Münsterland weiter stabil zu bleiben. Nicht nur mit der großen Zahl der Geflüchteten kommen in diesem Jahr neue und ganz besondere Herausforderungen auf die Jobcenter im Kreis zu. Zum einen sind deutlich mehr Menschen, die zudem spezielle Anforderungen mitbringen, im SGB II zu betreuen und in Arbeit zu vermitteln. Zum anderen müssen die Jobcenter durch die kurzfristige Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 die neuen gesetzlichen Regelungen umsetzen.
Auch Wohngeld-Reform nimmt Einfluss
Auch die für 2023 geplante Reform des Wohngeldes und die Einführung des Chancenaufenthaltsgesetzes werden nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Zahl der SGB II-Hilfeempfänger und somit die Arbeit der Jobcenter haben.