Bocholt. Bocholts Bürgermeister Thomas Kerkhoff lud am 8. Januar 2023 zum Neujahrsempfang ins TextilWerk. In seiner Neujahrsansprache ließ er das vergangene Jahr Revue passieren. Bei allen Themen, die Stadt, Politik und Gesellschaft 2022 beschäftigten und auch weiterhin Herausforderung bleiben werden, gab Kerkhoff den Bocholtern eine „Hausaufgabe“ mit: Erzähle mir das Besondere Deiner Stadt.
„Als ich im vergangenen Jahr die Neujahrsrede hielt, sprachen wir bereits von einem turbulenten Jahr, nicht ahnend, dass sich mitten in der Krise auch noch ein Krieg entzünden würde“, so Bürgermeister Thomas Kerkhoff in seiner Neujahrsansprache. Dies habe eine geopolitische Neuausrichtung erfordert. Immer wieder habe man sich fragen müssen, wo man zuerst anpackt und wie man all die Dinge in die Reihe bringt.
Mit zig Bällen jonglieren
„Mit zig Bällen gleichzeitig jonglieren, ohne einen Ball fallen zu lassen“, so beschrieb Kerkhoff das vergangene Jahr. Und dieses artistische Kunststück gilt es auch 2023 zu beherrschen. Nicht nur in Bocholt. Auch im Kreis Borken, auf Landes- und Bundesebene. „Wir dürfen trotz allem auf ein schönes Jubiläumsjahr zurückblicken“, so der Bürgermeister. „Wir durften viel Positives erleben.“ Bocholt sei darüber hinaus stark und selbstbewusst und habe gezeigt, dass es Krisen meistern kann.
Den Gürtel enger schnallen
Krise nach Krise und Problem nach Problem abarbeiten, flexibel bleiben, aber nie den Fokus aus den Augen verlieren oder in blinden Aktionismus verfallen, das gelinge, so Kerkhoff, in Bocholt ganz gut. Dafür danke er auch dem Rat der Stadt Bocholt. Gleichwohl sprach er aber auch Wohlstandsverluste an. „Wir müssen die stabile Haushaltslage im Blick halten“, so Kerkhoff. „Dass wir den Gürtel enger schnallen müssen, das wird wohl so sein. Wir müssen hinterfragen, ob wir uns weiterhin noch alles leisten können, was uns vielleicht lieb und teuer ist. Und – bekommen wir alles mit Geld gelöst?“
Möglichst keine Steuererhöhung
Gehe es nach ihm, dann gibt es 2023 keine Steuererhöhung – auch bis 2025 nicht. „Nach meiner persönlichen Auffassung darf die Grundsteuerreform des Bundes nicht zu einer Erhöhung für alle Bocholter führen“, machte Kerkhoff deutlich. Er ergänzte aber auch, dass es im städtischen Haushalt nicht maßgeblich zu Einnahmeverlusten kommen dürfe.
Gewerbesteuer wichtiger Parameter
Auch die Wirtschaftskraft sei wichtig, „da können wir uns im Kreis Borken glücklich schätzen“, so Bocholts Bürgermeister. Mit einem starken Mittelstand und Global Playern verfüge man über ein entsprechendes Rückgrat. Das Münsterland sei fleißig, habe eine gute Mentalität, nicht umsonst heiße es in einer Studie, dass die Menschen im Münsterland die glücklichsten in Deutschland sind. „Die Gewerbesteuer ist ein wichtiger Parameter“, so Kerkhoff. Trotz Pandemie habe man 2022 einen Rekordwert erreicht. Ob nun Talfahrt drohe, bleibe abzuwarten. „Unsere Unternehmen verfügen über eine große Leistungsstärke und Widerstandskraft“, unterstrich Kerkhoff.
Hoffen für Borgers
Und natürlich hingen nicht nur rosa Wolken über dem Münsterland, wenn man mal an Borgers denke. Er hoffe, dass das Traditionsunternehmen mit einem neuen Investor wieder in ruhige Fahrwasser gerate.
Rathaus, Innenstadt, Kubaai, Nordring, Aasee-Neugestaltung, Hilfen und Unterbringung für geflüchtete Menschen seien auch 2023 die vorrangigen Themen. Die Verwaltung arbeite daran.
Demokratie: Wie sieht es in Bocholt aus?
Ein wichtiger gesellschaftlicher Punkt sei die Demokratie und das Vertrauen in die Wertes des Grundgesetzes. „Das klingt immer so einfach“, so Kerkhoff. „ist es aber nicht, wenn man sieht, wie dieses Modell weltweit unter Beschuss steht.“ Hier dürfe man nicht nur auf andere Länder schauen, sondern müsse sich fragen: Wie sieht es in Bocholt aus?
Blick auf Neujahrsempfang des Kreises
Er habe sich in diesem Zusammenhang gefragt, ob ein Blick auf den Neujahrsempfang des Kreises Borken richtig sei. „Kritik üben an der Einladungsliste, das ist ja okay“, so Bocholts Bürgermeister. „Aber geschlossen fernbleiben, ohne dass es eine wirkliche Reizfigur gibt – welche Eskalation bleibt da noch? Wie sollen wir für Demokratie werben bei all dem, was schon in den ersten achten Tagen des neuen Jahres passiert ist?“ Für ihn gehöre der Vorfall in die Neujahrsansprache, ergänzte Kerkhoff. Es sei wichtig, offen und ehrlich damit umzugehen. (Anmerkung der Redaktion: Die Kreistagsfraktionen von Grünen, UWG und SPD wollten zum ersten Mal nicht teilnehmen, weil CDU-Politiker und CDU Kreisvorsitzender Jens Spahn die Festrede halten sollte. Das verstoße gegen die Unparteilichkeit. CDU Landrat Kai Zwicker bezog wie folgt Stellung: Er hätte in der Einladung deutlicher machen sollen, dass Spahn keine aktuelle politische Rede halten werde. Stattdessen gehe es allgemein um Entwicklungen in Sachen Politik und Demokratie)
Die DNA der Stadt extrahieren
„Lassen Sie uns all das Stärken, was uns verbindet“, appellierte Kerkhoff, „und lassen wir auch Neues zu.“ Und Neues, damit ist auch eine Strategie gemeint, die mehr als ein Werbespruch oder eine Broschüre pro Bocholt sein soll. „Es heißt immer nörgens bäter as in Bokelt“, so Kerkhoff mit Blick auf Bocholts Zukunft. „Der Spruch ist ja nicht falsch. Gerade bei denen, die über 50 sind. Aber er ist auch nicht alles, was wir heute sagten sollten. Denn dann sind wir nicht mehr anschlussfähig. Wir müssen die DNA unserer Stadt extrahieren. Und darum stelle ich die Frage an uns alle: Erzähle mir das Besondere Deiner Stadt Bocholt! Was müssen wir verbessern und stärken?“
Bocholter selbst die besten Influencer
Die besten Markenbotschafter und Influencer seien die Bocholter selbst. „Wir müssen die Stärken unserer Stadt benennen und nach außen bringen“, ergänzte Kerkhoff. „Und das möchte ich 2023 mit ihnen tun.“ Jeder, der mitwirken wolle, sei eingeladen, sich zu beteiligen. Dies könne eine spannende Reise werden.
In seiner Neujahrsansprache bat Bürgermeister Thomas Kerkhoff darüber hinaus um eine Gedenkminute für den verstorbenen Fraktionsvorsitzenden Dieter Hübers.