Bocholt. Import, Innovation, Industrie: Seit dem 2. April 2023 zeigt das LWL-Textilwerk in Bocholt die Ausstellung „Der ewige Teppich“. Bis einschließlich 20. Oktober geht es bei mehr als 400 Exponaten um Design, Verwendung und Herstellung von Teppich und ganz nebenbei erzählt die Ausstellung eine deutsch-deutsche Geschichte. Ergänzend dazu werden übrigens Begleit-Events angeboten. Zum Beispiel ein Teppichkrimi.
Der „Ewige Teppich“ hat eine lange Geschichte in Zimmern und Kammern. Bereits im Mittelalter gehörte der sogenannte „Orientteppich“ zu den Luxusgütern in adeligen und großbürgerlichen Haushalten. Als im 19. Jahrhundert eine neue Technik auf den Markt kam, wurden Teppiche mit Mustern nach orientalischen Vorbildern zum erschwinglichen Massenprodukt. „Der Perser aus Deutschland“, so eine zeitgenössische Werbung aus den 1920er Jahren zu Stickteppichen, fand zunächst in den Wohnzimmern der Angestellten, später auch in vielen Arbeiterhaushalten seinen Platz.
Vom Vogtland in den Grenzraum
Mit mehr als 400 Exponaten stellt die Ausstellung Design, Verwendung und Herstellung dieser Art Teppiche vor und erzählt nebenbei auch eine deutsch-deutsche Geschichte: Die Produktion wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Vogtland, wo sich 1880 die erste maschinelle Teppichfabrik ansiedelte, in den Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Adel und Bürgertum
Sogenannte „Orientteppiche“, in Europa seit dem Mittelalter dem Adel und dem gehobenen Bürgerturm vorbehalten, begeisterten seit der Weltausstellung in London 1851 eine wachsende Käuferschicht. Um die Nachfrage decken und den Import steigern zu können, investieren europäische Unternehmer seinerzeit in den Aufbau manufakturähnlicher Strukturen in Westasien, um dort ‚Orientteppiche‘ fertigen zu lassen. Um 1900 begann in Europa die Produktion von mechanisch gewebten Teppichen, die die tradierten Muster nachahmen. Eine neue Industrie entstand. Ihre Erzeugnisse waren deutlich preiswerter als ihre Vorbilder, doch sie erreichten nicht die scheinbare Individualität und Originalität „echter orientalischer Teppiche“. Unter diesen verstand die wachsende Kundschaft vor allem Knüpfteppiche.
Technische Innovation
Erst die technische Innovation des maschinellen Teppichstickens aus den 1920er Jahren machte es möglich, Produkte herzustellen, die den traditionell gefertigten Teppichen aus kunstgewerblicher Sicht sehr ähnlicher waren.
„Perser aus Deutschland“
Als „Perser aus Deutschland“ beworben, machen sie die Teppichfabrikzentrale AG (Leipzig), die Tefzet, mit ihrem wichtigen Produktionszentrum in Oelsnitz vor dem Zweiten Weltkrieg zum größten Teppichkonzern in Deutschland mit Nachfolgefirmen in Ost und West. Vor 1946 werden rund 80 verschiedene Dessins von der Tefzet-AG entworfen und gefertigt – die meisten davon inspiriert von den Vorbilden aus dem Orient. 1948 gehen die Werke in Oelsnitz im späteren Volkseigenen Betrieb (VEB) Halbmond-Teppiche auf. In der Bundesrepublik baut der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Tefzet-AG, Paul Dürrschmidt, zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Orientstickproduktion nach dem Vorbild seines ehemaligen Unternehmens auf – im Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Zeig uns Deinen Teppich!
Unter diesem Motto präsentiert das LWL-Museum in der Spinnerei persönliche Teppichgeschichten in der Mitte des Ausstellungsraus. Zum Beispiel die Erinnerung eines Jungen, der den größten Ärger mit seiner Mutter bekam, weil er am Schmuckstück im Wohnzimmer die Fransen abschnitt, oder die Geschichte eines Malers, für den der Stickteppich im Lieferwagen ein Schatz ist, weil bei dem engen Flor keine Farbe einzieht. Die Präsentation ruft dazu auf, dem Museum weitere Teppichgeschichten zu hinterlassen: in der Ausstellung, aber auch digital in den Sozialen Medien: #Teppichgeschichten @textilwerkbocholt.
Öffnungszeiten Spinnerei und Weberei:
Dienstag – Sonntag sowie an Feiertagen 10 – 18 Uhr,
letzter Einlass 17.30 Uhr
Begleitveranstaltung zur Ausstellung
Die laufende Ausstellung wird von mehreren Event begleitet:
Purer Luxus! Mit einem Glas Sekt auf dem Teppich bleiben! Kuratorenführung durch die Ausstellung „Der ewige Teppich“
Ein besonderer Abend, an dem nichts unter den Teppich gekehrt wird. Erleben Sie nach einem Glas Sekt die Geschichten und Geschichte einer Ausstellung.
Do, 20.4. / 15.6. / 17.8. /19.10., jeweils 18 – 20 Uhr
Museumseintritt
Mit dem Teppich in das Reich der Fantasie
Märchenlesung für Kinder zwischen Wunderlampe und fliegendem Teppich für Kinder zwischen 6-8 Jahren mit Mitmachprogramm und einer Reise durch die Ausstellung.
Eine Kooperation mit der Stadtbibliothek Bocholt
25.5.2023 15.30 Uhr (ca. 2 Stunden)
Eintritt: 3,00 Euro
Der fliegende Teppich
Sommerferienspiele
Mo, 31.7. – Fr, 4.8. jeweils 9 – 16 Uhr
Können Teppiche fliegen? Wir schauen mal nach in unserer neuen Ausstellung mit vielen bunten Perserteppichen – und nehmen Platz auf weichen Teppichen, erzählen Geschichten, entspannen und reisen in Gedanken in ferne Länder. Und wie ist so ein Teppich gemacht? Wir schauen hin und probieren es selber aus: Schon mal euren Namen geknotet?
Die Teilnahmegebühr für 5 Tage für Kinder von 8 bis 11 Jahren beträgt 60 Euro inkl. Material und Mittagessen (Geschwisterkinder 55 Euro). Anmeldung über die Homepage erforderlich
Der blutrote Teppich – von Mördern und Piloten
Ein Abend mit dem Filmwissenschaftler Peter Ellenbruch in der Ausstellung mit vielen Filmzitaten, einem Kurzfilm und einem Teppichkrimi in ganzer Länge
31.08.2023 19.00 Uhr
Eintritt: 6,00 Euro (ermäßigt 3,00 Euro)
Mit dem Teppich in das Reich der Wunder
Märchenlesung für Kinder zwischen Wunderlampe und fliegendem Teppich für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren mit Mitmachprogramm und einer Reise durch die Ausstellung.
14.09.2023 15.30 Uhr (ca. 2 Stunden)
Teilnahme: 3,00 Euro
Der ewige Teppich inklusiv
Führung für hörende und gehörlose Gäste durch die Sonderausstellung
So, 17.9. 14 – 15 Uhr
Museumseintritt
Read & Eat meets Textilwerk
Eine Veranstaltung der Stadtbibliothek Bocholt. Erleben Sie nach einem geführten Blick in die Ausstellung köstliche Literatur rund um den Teppich und genussvoll Spezialitäten zum Reinbeißen und Schlürfen.
22.09. 19.30 Uhr
Eintritt: 9,00 Euro (inkl. Verkostung)
Das Foto zeigt Stickerinnen um 1930. Foto: LWL