Kreis Borken/Rhede. Selbst vom Bundespräsidenten gab es schon eine Einladung. Und doch ist das, was die Nähgruppe Westmünsterland e.V. im Kreis Borken leistet, vor Ort oft noch nicht bekannt. Deutschlandweit aber verschickt das Team um Tanja Strate mehrmals in der Woche Pakete mit Kleidungsstücken für Babys, die ganz kleine Größen benötigen.
Spätestens dann, wenn der Frauenarzt bestätigt, dass ein Kind unterwegs ist, stellt sich nach dem Begreifen die Vorfreude ein. Und mit der Vorfreude geht’s in die Vorbereitung. Schließlich will man als Eltern alles wissen, weil man von Anfang an alles richtig machen will. Man liest Bücher. Man informiert sich im Internet. Vor lauter Glück aber klammern Mütter und Väter gerne Tabu-Themen aus. Und dabei wäre es manchmal gut, sich mal ein paar Minuten mit der Herausforderung Frühchen auseinanderzusetzen. Wer denkt schon darüber nach, dass es bei zu früh Geborenen bereits an Kleidung mangeln kann?
Raus aus der Tabuzone
Seit 2011 findet rund um den Globus an jedem 17. November der Weltfrühgeborenentag statt. Vereine, Elterngruppen, Kliniken – viele involvierte Gruppen machen gezielt auf die Situation der zu früh geborenen Kinder und deren Familien aufmerksam. Die Schwangerschaft „zu feiern“, das Glück einfach zu genießen, das ist etwas Wunderbares. Im Fall eines Falles aber ein wenig Hintergrundwissen zu haben, kann so wertvoll sein. Denn: Deutschlandweit werden jährlich ca. 60.000 Kinder vor der vollendete 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren. Folglich ist jedes 11. Neugeborene ein sogenanntes Frühchen. Die gute Nachricht: Mittlerweile gelingt es Medizinern, selbst extrem unreifen Kindern ein Überleben zu ermöglichen, die vor der 24. SSW und damit mehr als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin geboren wurden.
Menschen, die ehrenamtlich zur Seite stehen
Und doch. Es kann immer sein, dass ein Kind zu früh zur Welt kommt. Und dann ist es gut, wenn man – neben der medizinischen Kompetenz – auch Menschen an seiner Seite weiß, die helfend zur Seite stehen. Dazu zählt auch der Verein Nähgruppe Westmünsterland aus Rhede, der sich deutschlandweit ehrenamtlich für Sternenkinder, Frühchen und Kinder in besonderen Lebenssituationen engagiert.
Kuscheldecke und Frühchen-Krake
Welche werdende Mami, welcher werdende Papi ist sich bewusst, dass Kleidungsstücke für Frühchen nicht mal eben so beim Babyausstatter zu finden sind. Weil die Größen einfach nicht im Programm sind. Doch ist das „kleine Würmchen“ da, dann möchten seine Eltern es doch hübsch anziehen können, bis sie es endlich mit nach Hause nehmen dürfen. Und dann ist es einfach gut zu wissen, dass es fleißige Nähbienen gibt, die Starter-Sets für Frühchen fertigen. Ehrenamtlich, in ihrer Freizeit. Sie nähen Bodys, Hemden, Höschen, Mützchen. Selbst an kleine Söckchen ist gedacht. Die Kleidungsstücke, die die Vorsitzende des Vereins, Tanja Strate, ausschließlich an Privatpersonen abgeben darf, gibt es in den Größen 32 bis 48. Auf Anfrage gehen die Kleidungsstücke als Paket an die Empfänger, dazu gibt’s Dufttücher, Kuscheldecke oder auch die Frühchen-Krake. Mit Liebe verpackt gehen die Handarbeiten auf Reise. Und zwar dorthin, wo sie dringend gebraucht werden.
Eine Herzensangelegenheit
Mehr noch. „Wir sind auch da für Kinder in besonderen Lebenssituationen, also für alle Mädchen und Jungen, die unsere Hilfe benötigen“, so Tanja Strate. „Sei es Aufmunterung für Trauernde, Spezialtaschen für Rollstuhlfahrer oder der Body für Personen mit Sonden. Unsere Nähbienen können fast alles umsetzen, man muss einfach nur darüber sprechen.“
Wissen und darüber sprechen. Sich auch mal mit Tabu-Themen beschäftigen und wertvolle Tipps weitergeben. Für Tanja Strate ist eine Herzensangelegenheit, Eltern, Großeltern, Angehörige, Familie und Bekannte, Freunde und Verwandte auf die Möglichkeiten, die Vereine wie die Nähgruppe Westmünsterland bieten, hinzuweisen. „Mittlerweile verschicken wir wirklich deutschlandweit“, so die 47-Jährige. „Und es macht uns stolz, dass wir helfen können.“
Trotz Vorfreude den Notfall nicht außen vor lassen
Ihr großer Wunsch aber ist es nach wie vor, dass Tabu-Themen rund um die Geburt eines Kindes nicht mehr außen vor bleiben. „Es ist traurig, aber es kommt nun mal vor, dass es ein Frühchen nicht schafft oder dass ein Kind schon vor oder bei der Geburt stirbt“, sagt sie. „Und dann ist man als Eltern kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn man aber zuvor zumindest schon mal darüber nachgedacht hat, wo es im Notfall Hilfsangebote gibt, dann kann dies im Nachhinein von unschätzbarem Wert sein. Wenn man weiß, dass es da wen gibt, der das Kind mit einer Einschlagdecke, mit Abschiedskleidung, mit liebevollen kleinen Accessoires versorgen kann für den würdevollen Abschied.“
Das unwiederbringliche Foto
Und es müsse sich auch niemand schämen, ein weiteres ehrenamtliches Angebot der Nähgruppe Westmünsterland in Anspruch zu nehmen. „Oft denkt man nicht daran, das Frühchen oder auch das Sternenkind in professionellen Bildern festhalten zu lassen“, weiß Tanja Strate. „Jeder Mami, jedem Papi sei ein gesundes Kind gewünscht. Aber wenn das geliebte Kind, auf das man sich so gefreut hat, nicht überlebt, dann ist dieses letzte Foto ein ganz besonderer Schatz. Man kann nie wieder eines machen.“
Kostenloses Angebot
In Anspruch nehmen dürfen alle Privatpersonen das Angebot, aber natürlich auch Bestattungshäuser, Beratungsstellen, Krankenhäuser oder auch Hebammen. Der Verein arbeitet ehrenamtlich. Umso größer ist die Freude natürlich über jede noch so kleine Geldspende, damit den Nähbienen Stoffe, Garn, Wolle und Briefmarken niemals ausgehen.
Spendenkonto
Wer den Einsatz der Nähgruppe Westmünsterland unterstützen möchte, hier die Angaben zum Spendenkonto: Sparkasse Westmünsterland DE63 4015 4530 0044 2842 71. Alle weiteren Infos gibt es auf der Homepage des Vereins.